Maschinenprodukteverordnung: Neuer Kompromissvorschlag im EU-Rat

MPVO: Neuer Kompromissvorschlag als Basis der weiteren Verhandlungen

Am 10. Dezember 2021 hat der Vorsitz der EU-Ratsarbeitsgruppe einen Kompromissvorschlag zur geplanten

EU-Verordnung über Maschinen und verwandte Produkte

als Presidency Compromise text on Machinery Regulation verfasst:

Working Party on Technical Harmonisation (Machinery).

Gerne stellen wir Ihnen diesen neuen Text zur Verfügung, damit Sie sich selbst ein Bild über den Stand der Verhandlungen der geplanten neuen EU-Verordnung machen können. Die Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission sind durch Fettdruck und Unterstreichen kenntlich gemacht

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Download der Dokumente

Auf unserer Webseite im Downloadbereich haben wir Ihnen den aktuellen Kompromissvorschlag der Verordnung und weitere zugehörige Dokumente bereitgestellt.

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Was uns aufgefallen ist

Der Kompromissvorschlag geht aus unserer Sicht in einigen Punkten in die richtige Richtung und berichtigt Fehler im Kommissionsvorschlag. Über andere Vorschläge muss aber wohl noch einmal nachgedacht werden.

Nachfolgend einige Beispiele aus den Artikeln 1 bis 10 des Kompromisspapiers:

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Transport von Gütern oder Personen ist nicht Bestandteil der MPVO

In Erwägungsgrund 15 wird unterstellt, dass Risiken durch den "Transport von Gütern oder Personen" nicht Ziel der MPVO ist.

Diese Aussage ist eindeutig falsch und widerspricht auch dem vorliegenden Vorschlag im rechtlichen Teil und hier insbesondere den Festlegungen in Anhang III.

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Anwendungsbereich

In Artikel 2(1) wird der Anwendungsbereich neu formuliert und eine neue Begrifflichkeit eingeführt:

Aus "machinery product" wird "machinery and related products"

Der Begriff "machinery and related products" deckt danach auch nicht mehr die "unvollständigen Maschinen" ab. Diese werden im Anwendungsbereich separat aufgeführt. Mit dieser Änderung sollten sich die rechtlichen Anforderungen an die unterschiedlichen Produkte deutlich besser formulieren lassen. Allerdings kann es auch kürzer gehen, wie die Niederspannungsrichtlinie zeigt.

In Artikel 2(1) (d) verbirgt sich ein offensichtlicher Fehler. Statt "machinery or related producting accessories" muss es heißen "lifting accessories" Dieser Fehler taucht auch in weiteren Artikeln auf.

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Ausnahmen

Bei den einzelnen Ausnahmen in Artikel 2(2) wird regelmäßig lediglich auf "machinery and related products" oder auch nur auf "machinery" Bezug genommen. Es fällt auf, dass hier "partly completed machinery" nicht genannt sind und "and related products" noch an einigen Stellen nachgepflegt werden muss.

Eine wichtige und dringend notwendige Änderung wird in Buchstabe (e) ["means of transport by air, on water and on rail networks ..."] vorgeschlagen. Hier kehrt der Vorschlag zum alten Text der Richtlinie 2006/42/EG zurück. Klargestellt werden müsste allerdings, dass es sich bei den "rail networks" um "öffentliche" Schienennetze handelt.

Bei der Ausnahme der "electric motors" in Buchstabe (vi) könnte der EU-Gesetzgeber klarstellen, ob er der Kommentierung des EU-MRL-Leitfadens in § 46 folgen und hierfür die Spannungsgrenzen aufheben will. Dies hätte allerdings zur Folge, dass diese Motoren dann in den nicht harmonisierten Bereich fallen würden.

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Definitionen

Grundsätzlich könnte man in Artikel 3 "Definitions", aus der Erfahrung bisheriger strittiger Diskussionen und Interpretationen lernend, geeignete Klarstellungen aufnehmen. Die entsprechenden Probleme sind den Fachleuten hinlänglich bekannt.

Folgendes ist uns bei dem Teil "Defintions" aufgefallen:

  • In 1(d) "assemblies ..." fehlt, dass Bestandteil einer Gesamtheit von Maschinen auch Bauteile sein können, die für sich genommen nicht unter den Anwendungsbereich der MPVO fallen.
  • In 1(e) fehlt "…directly applied human or animal effort." Ein Übertragungsfehler, der seinerzeit von der Richtlinie 98/37/EG in die 2006/42/EG aufgetreten ist.
  • In 1(f) muss klargestellt werden, dass bei einer vollständigen Maschine nur "Prozesssoftware" aber nicht die "Software für die Sicherheitsfunktionen einer Maschine" fehlen darf. Diese Software ist nach (3) ein Sicherheitsbauteil, deren Fehlen in der Vergangenheit zu Problemen geführt hat.
  • Die neue Definition in (3a) zu "safety function" ist entbehrlich, da der Begriff "Sicherheitsfunktion" selbsterklärend ist. Sie ist dazu auch kontraproduktiv:
    • Sie steht im Widerspruch zu der Definition in (3), bei der es bei kombinierten Produkten (Produkte mit Prozess- und Sicherheitsfunktion) klar nicht um einen "Hauptzweck" geht.
    • Diese Definition steht auch im Widerspruch zum Anhang II der MPVO, wo solche "Kombiprodukte" als Beispiele für Sicherheitsbauteile aufgeführt sind.
    • Mit dem neuen Begriff "Hauptzweck" wird dazu ein unbestimmter Rechtsbegriff eingeführt, der zu unendlichen Diskussionen führen wird. Wenn man unterstellt, dass der Hauptzweck eine Maschine immer der Prozess ist, denn dafür wurde sie schließlich gebaut und auch gekauft, dann ist der Sicherheitsanteil nach dieser Definition immer nachrangig. D.h., kombinierte Produkte wie z.B. eine Sicherheits-SPS wären dann nie Sicherheitsbauteile.
    • Soweit solche Produkte dann auch nicht von anderen Harmonisierungsregelungen erfasst werden, würden sie in den nicht harmonisierten Bereich fallen. Niemand kann aber wollen, dass z.B. eine SSPS von heute "Anhang IV" in zukünftig "nicht harmonisiert" rutscht.
    • In (13) 'putting into service' fehlt eine Klarstellung, dass es sich um den Zeitpunkt handelt, zu dem der "Eigenhersteller" die MPVO erfüllt haben muss. Z.B. "'putting into service' means the first use, for its intended purpose, in the Union, of a machinery or related products by the manufacturer for his own use"
  • In (13b) fehlt bei den "Umweltschutzanforderungen" die Einschränkung "..., where appropriate, the environment", da die MPVO nur einen ganz bestimmten eingeschränkten Teil aus diesem Bereich regelt.
  • In (16) "substantial modification" müsste ergänzt werden, dass auch eine "unvollständige Maschine" Gegenstand der wesentlichen Veränderung sein kann. Ein wichtiger Punkt bei der Veränderung einer "Gesamtheit von Maschinen" (Anlage). Hier kann eine Änderung "wesentlich" für eine integrierte unvollständige Maschine sein, ohne dazu zu führen, dass die Anlage als wesentlich verändert anzusehen ist.
  • In (17a) wird ein neuer Begriff "user" eingeführt. Dieser Begriff ist nicht notwendig und verwirrt. Derjenige, der eine unvollständige Maschine (uM) "verbaut" wird regelmäßig zum Hersteller einer größeren fertigen Einheit, einer Maschine. Somit ist es verwirrend, wenn er als "user" bezeichnet wird. Wenn ein solcher Begriff, wegen notwendiger spezieller Regelung für diese Personen überhaupt erforderlich ist, wäre ein anderer Begriff sinnvoller. Z.B. spricht die EN-Norm für Roboter hier vom "Integrator".
  • In (33a) wird eine neue Definition "Source code" vorgeschlagen. Dieser Vorschlag muss gestrichen werden.
    Nach diesem Vorschlag wäre der Code einer KI i.d.R. kein „Source code“:
    Der Code einer KI wird zwar durch -noch für den Menschen verständliche- Algorithmen erzeugt. Er kann dann aber selbst nicht mehr von Menschen verstanden werden. Der Marktüberwachung und den benannten Stellen muss nach Anhang IV (n) nur der „Source code“ (und damit nicht der Code einer KI selbst) zur Überprüfung zur Verfügung gestellt werden. D.h., die Marktüberwachung hätte keinen Zugriff auf den Code einer KI und könnte ihn nicht, z.B. im Rahmen einer Simulation, überprüfen.
  • In (33b) wird eine neue Definition "Programming logic" vorgeschlagen. Hier ergibt sich die analoge Problematik wie in (33a).

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Hochrisiko-Maschinenprodukte

Die im Kompromissvorschlag vorgesehene Streichung von Artikel 5 Nr. 3.(c) war dringend notwendig. "The degree to which potentially affected parties are dependent on the outcome produced by the machinery ..." kann sich auf alles mögliche beziehen. Er kann auf die erreichte Sicherheit bezogen werden, aber auch auf die Produkte, die mit einer Maschine produziert werden.

Dieser Unterpunkt könnte von der Kommission später sehr breit ausgelegt werden und ihr die Möglichkeit geben, beliebige Produkte in den (neuen) Anhang I aufzunehmen oder daraus zu streichen.

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Anforderungen an Maschinenprodukte

In Artikel 7 muss unterschieden werden zwischen Anforderungen an "machinery and related products" und "partly completet machinery". Es muss hier klargestellt werden, das partly completet machinery nicht alle relevanten Anforderungen des (neuen) Anhang III erfüllen müssen und können. Die jetzige Forderung "Products subject to this Regulation shall only be made available on the market ... [where] they meet the essential health and safety requirements set out in Annex III" ist für den Hersteller von unvollständigen Maschinen nicht einhaltbar.

Nach der aktuellen Maschinenrichtlinie ist die Einhaltung des (alten) Anhang I für Hersteller von unvollständigen Maschinen freiwillig.

Ein sinnvoller Mittelweg wäre es, den Hersteller von unvollständigen Maschinen zu verpflichten, dem Käufer konkrete Angaben zu machen, bis zu welchen Schnittstellen er den Anhang III eingehalten hat. Das könnte Bestandteil der Montageanleitung sein. Bis jetzt muss dies privatvertraglich vereinbart werden. (Erweiterte Einbauerklärung)

Pflichten der Hersteller: Machinery and related products

  • In Artikel 10 Nr. 3 muss "and/or put into service" geändert werden in "or put into service". Es ist jeweils nur einer der beiden Fälle relevant.
  • In Artikel 10 Nr. 4 fehlt in der Aufzählung der Punkt "or changes to the state of the art ". Ein Produkt darf nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn es dem Stand der Technik entspricht.
  • In Artikel 10 Nr. 4 darf nicht auf die komplette Nr. 1.7. von Anhang III verwiesen werden. Ausgenommen werden muss hier Nr. 1.7.4.3. Verkaufsprospekte.

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Pflichten der Hersteller: Partly completed machinery

Artikel 10a Nr. 1 stellt an die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für unvollständige Maschinen die selben Anforderungen wie an "Machinery and related products". Das muss komplett überarbeitet werden. Siehe oben "Anforderungen an Maschinenprodukte"